Um es gleich vorweg zu nehmen, bei der Antwort auf die Frage der Überschrift ist es ein bisschen so wie mit der berühmten Nadel im Heuhaufen. Es ist schwierig die eine zu finden. Und die gefundenen Antworten haben uns ehrlicherweise überrascht.
Nachdem wir uns in unserem letzten Whitepaper die Verantwortung der Führungskraft bei der Erreichung von unternehmerischen Zielen als Person beleuchtet haben, wollen wir uns heute damit beschäftigen, was Führung überhaupt ist und wie man diese umsetzen kann.
Gibt man bei einer der bekanntesten Internet-Suchmaschinen das Wort „Führung von Unternehmen“ ein, erhält man 8,57 Millionen Treffer. Bei dem Wort „Führungsstile“ sind es immerhin noch 655.000 Treffer. Im Vergleich dazu erscheinen beim Wort „Selbstorganisation von Unternehmen“ 409.000 Treffer. Und dann wird innerhalb der Treffer auch noch breit diskutiert: Was ist Führung? Wie grenzt sie sich von Leadership und Management ab? Welche Führungsstile sind zeitgemäß? Wie ist die Partizipation der Mitarbeitenden je Führungsstil? Welche Qualitäten muss eine gute Führungskraft haben? Helfen Zielvereinbarungen, 360Grad-Feedbacks oder Mitarbeiterbefragungen der Führung wirklich auf die Sprünge? Braucht man überhaupt noch Vorgesetzte? Können wir nur mit Selbstorganisation die schnelllebigen Zeiten meistern? Sind bei Selbstorganisation alle sich selbst überlassen? Wie groß dürfen Teams bei Selbstorganisationen sein? Verstehen Sie jetzt, was wir mit der Nadel im Heuhaufen meinen?
Wann setzt man sich denn mit der Frage auseinander, wie man sein Unternehmen führen, organisieren will: Am Anfang einer unternehmerischen Tätigkeit? Wenn es nicht mehr so läuft, wie man es sich vorstellt? Im Zuge der nächsten Entwicklungsstufe? Wenn zu viele Mitarbeitenden das Unternehmen verlassen? Nie? Und wer stellt sich die Frage? Der Unternehmer, die Mitarbeitenden, beide? Wahrscheinlich gibt es auch hier zahlreiche Antworten. Eines haben sie gemeinsam – egal wann und egal wer, jeder kommt damit irgendwann in Berührung. Und entweder streift es einen nur oder man setzt sich ernsthaft damit auseinander. Beide verdienen Antworten. Los geht’s.
Nie!
Grundvoraussetzung, um sich mit der Frage des Titels überhaupt zu beschäftigen, ist, vollständig zu akzeptieren und zu verstehen, dass ein Unternehmen:
- Ein Ziel hat, wobei Ziel hier als Begriff vor der Klammer für Vision und Mission sowie die strategischen und operativen Ziele steht.
- Dabei begrenzte Ressourcen zur Verfügung hat und seine weitere Existenz maßgeblich davon abhängt, eine exzellente Erfüllung dieser Ziele zu erreichen.
Sonst kann man sich getrost Nie! mit der Frage Hierarchische Führung oder Selbstorganisation beschäftigen.
Führung ist eine Funktion in jedem Unternehmen
Wagen wir zuerst mal eine Definition von Führung, die es aus unserer Sicht am besten trifft, was Führung in Unternehmen bedeutet: Führung ist die „Beeinflussung“ von anderen im Sinne der Erreichung eines gemeinsamen Ziels mit Hilfe der Kommunikation.
Das Wort „Beeinflussung“ klingt vielleicht nicht für alle nach einer menschenfreundlichen Haltung. Gemeint ist, dass Führung eine Ausrichtung des Handelns vermitteln soll, um wirklich zu verstehen, was das gemeinsame Ziel für jeden Geführten im Arbeitsalltag heißt. „Beeinflussung“ bedeutet auch, eine Motivation zu schaffen, dass jeder für das Gemeinschaftsinteresse eintritt und sein Bestes gibt.
Leadership übersetzt unserer Meinung das Wort Führung nur ins Englische und meint daher das gleiche. In Abgrenzung dazu ist Management, und hier ist die Tätigkeit, nicht die Gesamtheit aller Personen, die den Titel Manager tragen, gemeint, die Planung, Organisation und Kontrolle der Ziele. Führung/Leadership und Management können von der gleichen Person wahrgenommen werden. Doch um mal in Bildern zu sprechen: der Manager ist eher ein Verwalter der Ziele und die Führungskraft/der Leader ein Visionär, der eine Vorstellung davon hat, welche Ziele zu verfolgen sind. Führung beschäftigt sich tendenziell eher mit dem Was? und Wie? zu tun ist, während Management eher das Wie? erledigt. Oft hat man eine stärkere Ausprägung einer dieser beiden Eigenschaften. Doch solange einem diese Unterscheidung bewusst ist, spricht nichts dagegen, die Rollen in einer Person zu vereinen.
Man könnte nun vermuten, dass die einzige Aufgabe von Führungskräften dann darin besteht, die Ziele zu kommunizieren und deren Verfolgung und Einhaltung sicherzustellen. Und das kann nicht so schwierig sein. Das ist auch grundsätzlich richtig, greift nur zu kurz. Denn es gelingt zum einen in den Unternehmen nicht, die Ziele so zu „übersetzen“, dass jeder für den Zeitraum ihrer Gültigkeit exakt weiß, was zu tun ist. Gravierender ist zum anderen, dass die Dynamik und Komplexität der Umwelt so hoch sind, dass eine sinnvolle Festlegung der operativen Vorgehensweise nur in immer kürzeren Zeiteinheiten möglich erscheint. Nicht umsonst halten Methoden wie Scrum und OKR’s Einzug auch außerhalb von IT-Unternehmen und -Bereichen.
Denn Veränderungen stellen nicht mehr die Ausnahme dar, sondern sind die Regeln. Wer Veränderungen nicht im Blick hat, stirbt aus. So wie es Postkutschen heute nur noch für besondere Fortbewegungsanlässe braucht und nicht mehr für den täglichen Bedarf an Mobilität. Führung muss also sicherstellen, dass die Organisation „überlebt“. Und das gelingt nur, wenn die Ziele erreicht werden und diese werden nur erreicht, wenn bei den sich verändernden Umweltbedingungen angemessen agiert und reagiert wird. Und zwar immer mit Blick nach vorne.
Daher ist Führung gefragt, wenn das Team aus sich heraus nicht lösen kann:
- Setzen von Prioritäten aufgrund von Ressourcenengpässen. Beispiel: Welches Ziel ist dann zuerst zu verfolgen oder ist das Ziel überhaupt noch relevant.
- Anspruch an die Qualität des Produktes oder der Dienstleistung. Beispiel: Welche Fehler sind bei neuen Produkten noch akzeptabel und welche nicht.
- Bessere Spezifizierung von Inhalten. Beispiel: Braucht es das Feature in drei Varianten oder reicht auch eine.
Wird in den o.a. Situationen Führung nicht ausgeübt, wird der Suchprozess nach Lösungen erschwert und mehr als nötig ineffizient. Zielkonflikte sind dann an der Tagesordnung und führen erstmal zu Stillstand. Dabei ist es auch keine Frage des persönlichen Stils, ob Führung auszuüben ist oder nicht, sondern es gilt anhand der zuvor vereinbarten Ziele und Handlungsrahmen zu prüfen, ob das Team selbst entscheiden kann oder eben nicht.
Mit der vollkommenen Akzeptanz, dass ein Unternehmen Ziele braucht, der Definition von Führung und dem, was Führung leisten soll, ist unumstößlich, dass Führung eine unverzichtbare Funktion im Unternehmen ist.
Hierarchische Führung
Stellt sich jetzt die Frage, durch wen die Führungsfunktion ausgeführt wird. Aktuell liegt in den meisten Unternehmen die Führung in den Händen von wenigen, da die Führungsfunktion hierarchisch abgebildet ist. Die Theorie dahinter unterstellt, dass eine hierarchisch legitimierte Person schneller Entscheidungen trifft und die Strukturen klarer sind als unter demokratischen Bedingungen.
Auch wenn es viele Vorteile und gute Beispiele von hierarchischer Führung gibt, stellen wir zunehmend fest, dass aufgrund unserer Komplexität der Umwelt und der Unsicherheit daraus, dass die zu treffenden Entscheidungen womöglich falsch sind, die Entscheidungen oft lange hinausgeschoben oder gar nicht getroffen werden. Dass dadurch notwendige Veränderungen oder Anpassungen nicht oder nicht rechtzeitig umgesetzt werden, was langfristig das Überleben des Unternehmens gefährdet, liegt auf der Hand. Die Einbindung der Mitarbeitenden in den Entscheidungsprozess bei hierarchischer Führung ist formal und manchmal auch praktisch gering. Das frustriert viele, auch wenn nicht jeder gleich kündigt.
Selbstorganisation hilft mit der Geschwindigkeit und dem Motivationsbedürfnis umzugehen
Es gibt einen Trend, insbesondere bei jungen Unternehmen und denen, die sich einer agilen Arbeitsweise verschrieben haben: Die Selbstorganisation. Selbstorganisation ist eine Organisationsform in Teams, bei der die Führungsfunktion ins Team integriert wird. Das bedeutet, Teammitglieder übernehmen Aufgaben, die sonst eine Führungskraft innehat: Die Mitarbeitenden leiten sich selbst, planen und strukturieren ihren Arbeitsalltag, tragen Verantwortung und haben hohe Entscheidungsfreiheit und -kompetenz. Die Führungsfunktion wird als kollektive Führungsarbeit verstanden und kann nach drei verschiedenen Methoden gelebt werden:
- Es entscheidet der, der am kompetentesten in dieser spezifischen Frage ist.
- Es wird nach Konsens entschieden, d.h. entweder alle oder eine Form von Mehrheit muss zustimmen.
- Nach Konsent, was bedeutet, dass eine Entscheidung akzeptiert wird, wenn nichts schwerwiegendes mehr dagegenspricht.
Zur Sicherstellung der Abstimmung und Vernetzung der Teams untereinander, um Silodenken zu verhindern und die gemeinschaftlichen Ziele zu erreichen, müssen auch für teamübergreifende Entscheidungen, Führungsregeln gelten.
Durch diese Form der Ausübung der Führungsfunktion werden Entscheidungswege wieder kürzer und Entscheidungen schneller getroffen. Die Motivation der Mitarbeitenden steigt, da sie stärker als zuvor auf das was und wie etwas getan wird, Einfluss nehmen können und müssen.
Selbstorganisation ist in der Umsetzung sehr anspruchsvoll. Sie fordert ein hohes Maß an Regelungen, Verständnis von Arbeitsorganisation und Führungsfunktion sowie Eigenverantwortung eines jeden Mitarbeitenden.
Selbstorganisation braucht auch Führung und bessere Führung führt zu mehr Selbstorganisation
Führung ist eine Funktion im Unternehmen unabhängig davon, wie und durch wen die Führungsfunktion ausgeübt wird. Ihr Erfolg wird bei den Geführten gemessen. Wenn diese hochmotiviert ihre Aufgaben erledigen und gemeinschaftlich die Ziele verfolgen und alles Notwendige dafür getan wurde, um exzellente Ergebnisse zu erreichen, dann war die Art und Weise der angewandten Führung die richtige.
Wenn die Funktion von Führung bei denen, die dafür verantwortlich sind, verinnerlicht wurde, dann ist die Entscheidung, wie sie umgesetzt wird anhand der Ausgangslage und der geplanten Ziele zu entscheiden. Eine erfolgreiche Veränderung von der hierarchischen Führung hin zur Selbstorganisation hängt ganz stark vom Reifegrad der Mitarbeitenden beim selbstbestimmten Arbeiten im Unternehmen ab.
Am Ende sind hierarchische Führung und Selbstorganisation nur die gegenüberliegenden Pole auf der gleichen Achse. Wenn bei hierarchischer Führung Entscheidungskompetenz zurück oder von Anfang an auf die untersten Ebenen delegiert wird, werden die Nachteile dieser Organisationsform gemildert. Auch steht es in dieser Organisationsform jeder Führungskraft frei, wie er seinen Entscheidungsfindungsprozess gestaltet. Mehr Dialog mit den Mitarbeitenden ist dabei nicht verboten.
Selbstorganisation ist zum Scheitern verurteilt, wenn nicht geregelt ist, wie die Führungsfunktion gelebt werden soll. Die Führungskraft wie wir sie bisher kennen verschwindet als solche, aber deren Aufgabe nicht.
Daher gibt es nicht DIE Antwort auf die Frage unseres Titels. Doch durch die Beschäftigung mit der eigentlichen Aufgabe von Führung und der Situation im eigenen Unternehmen, kommt man der Lösung näher. Es lohnt sich, anzufangen!
Wer Erfahrungen aus Selbstorganisation oder veränderter hierarchischer Führung mit uns teilen möchte, schreibt uns an info@iconel.de.
Diesem Whitepaper können Sie ab 7. Dezember 2020 16.00 Uhr auch als 2. Episode unseres Podcasts „DIE BUSINESSFLÜSTERER“ lauschen.