Wieso delegieren? Es gibt zwei Extreme im Umgang mit zu viel Arbeit bei einem Selbst. Entweder man gibt zu wenig ab und wundert sich, dass der Aufgabenberg nicht weniger wird. Da fehlt es an Delegation. Oder man gehört zu den Menschen, die immer alles von sich wegschieben und gar nicht in die zuvor genannte Situation kommen. Das ist jedoch nicht delegieren, dass ist Arbeitsvermeidung und darum geht es hier nicht. Es existiert auch noch eine dritte Gruppe. Die Gruppe, die glaubt, sie kann alles nur selbst richtig machen und dann irritiert ist, dass andere erfolgreicher, schneller, entspannter oder was immer das Vergleichskriterium darstellt, sind.
Egal welche Ausgangssituation vorliegt, in diesem Whitepaper geht es um: was ist delegieren überhaupt, was hält uns davon ab, was ist der Vorteil von Delegation, was wird durch Delegation überhaupt erst möglich und wie delegiert man Schritt für Schritt.
Definition Delegation
Alle, die jetzt das Whitepaper noch nicht beiseitegelegt haben, weil ihnen die Eröffnung zu direkt war, haben sich im Delegieren geübt und sich uns anvertraut, nicht selbst zur Suchmaschine oder ins Bücherregal gegriffen. Denn delegieren kommt vom lateinischen „delegare“ und bedeutet „hinschieben, anvertrauen, übertragen“.
Delegation ist ein Organisationskonzept zur Arbeitsteilung. Es braucht einen Delegationsgeber, eine Aufgabe und einen Delegationsempfänger. Delegation führt zu Entlastung beim Delegationsgeber und zu Motivation beim Delegationsempfänger. Zur Delegation ist grundsätzlich jede Art von Aufgabe geeignet, die ein Handeln erfordert. Führungsaufgaben sind hingegen nicht delegierbar, denn sie versetzen den Delegationsgeber ja erst in die Lage, Aufgaben auf andere zu übertragen. Zur Umsetzung von Führung insgesamt findet man mehr in unserem Whitepaper zu diesem Thema.
Was hält uns vom Delegieren ab?
In dem SPIEGEL-Bestellerkriminalroman „Achtsam Morden“ heißt es so zutreffend „Loslassen ist gut! Loslassen heißt nicht fallenlassen. Aus der Hand geben heißt nicht verlieren“ (Karsten, Dusse: Achtsam Morden, 22. Auflage, Wilhelm Heyne Verlag, München, 2019, S. 339)
Doch was ist der Grund, dass es uns manchmal so schwerfällt, Aufgaben an andere zu abzugeben?
Weil wir keine Sicherheit haben, dass es funktioniert, wenn wir eine Aufgabe durch jemanden anderen als uns erledigen lassen. Weil wir den Aufwand scheuen, den Delegation im ersten Schritt braucht, wenn wir und der Delegationsempfänger damit noch nicht vertraut sind. Weil wir am Superhelden-Syndrom leiden und glauben, die einzigen zu sein, die diese Herausforderungen meistern können.
Daher setzt das Delegieren voraus, dass wir die eigene Unzulänglichkeit anerkennen und akzeptieren. Es geht darum, sich darüber klar zu werden, dass keiner alles und schon gar nicht gleichzeitig kann. Und weil das so ist, muss ein bestimmter Anteil der Aufgaben, die im eigenen Verantwortungsbereich liegen, immer durch andere erledigt werden. Diese Erkenntnis braucht Mut und Charakterstärke sowie eine Auseinandersetzung mit den eigenen Stärken und Schwächen.
Die Vorteile der Delegation
Bei allem was wir als Unternehmer mit unserer Arbeitskraft tun, geht es letztendlich darum, in begrenzter Zeit, maximale Wirkung zu entfalten. Delegation unterstützt dabei, denn:
- Der Delegationsgeber wird entlastet, was die eigene Arbeitskraft und Zufriedenheit stärkt.
- Der Delegationsgeber hat Zeit für Aufgaben, die sonst zu kurz kommen, was auch die eigene Weiterentwicklung und strategische Fragen beinhaltet.
- Wenn Aufgaben, deren Bearbeitung nicht auf die Stärken des Delegationsgeber einzahlen und übertragen werden, führt das bei einer gelungenen Delegation zu schnelleren Ergebnissen.
- Die Mitarbeitermotivation steigt, weil der eigene Aufgabenbereich interessanter wird und Delegation auch ein Zeichen von Vertrauen ist.
- Aus der Erledigung der delegierten Aufgaben kann das Potential des Delegationsempfänger sehr gut beurteilt und Rückschlüsse für weitere Maßnahmen und Aufgaben gezogen werden.
- Die Qualität der Erledigung zeigt dem Delegationsgeber auch, wo er mit seiner Fähigkeit zur Delegation steht.
- Größere Aufgaben können durch die Kombination verschiedener Kompetenzen, wenn verschiedene Delegationsempfänger mitwirken überhaupt erst in Angriff genommen werden.
Wenn die Delegation insgesamt richtig gelebt wird, dann treten von den zuvor genannten Vorteilen alle ein. Das ist ein weiterer Gewinn des Organisationskonzepts Delegation.
Zu delegierende Aufgaben
Welche Aufgaben eignen sich denn nun für eine Delegation unter Berücksichtigung der o.a. Bedingung, dass Führungsaufgaben nicht delegierbar sind? Das ist wie so oft von verschiedenen Faktoren abhängig. Zum einen hängt das vom Reifegrad des Delegationsgebers und des Delegationsempfänger ab. Zum anderen auch von den Stärken und Schwächens des Delegationsgebers sowie der Art der Aufgabe.
Der Nutzen einer gelungenen Delegation liegt immer in einer erhöhten Produktivität des Unternehmens. Daher muss zuerst auf die Erfahrung des Delegationsgeber im Umgang mit Delegation geschaut werden. Steht dieser erst am Anfang sind wenige, wenig komplexe Aufgaben und Aufgaben ohne Entscheidung zur Delegation geeignet. D.h. beispielsweise zunächst nur 1-2 statt 3-5 Aufgaben zu delegieren. Und eher auch nur Analysen erarbeiten und Informationen sammeln, statt Entscheidungen selbst treffen zu lassen. Mit zunehmenden Erfahrungsgrad kann hier eine Steigerung erfolgen. Das gleiche gilt für den Delegationsempfänger. Wenn dieser bisher zum Beispiel noch nie ein Thema erarbeitet und eine Handlungsoptionen ausgesprochen hat, empfiehlt es sich mit Aufgaben zu beginnen, bei denen zunächst nur einfach eine Umsetzung vorzunehmen ist. Insgesamt gilt, je komplexer eine Aufgabe, umso mehr nimmt die Einfachheit der Delegation ab und umso qualifizierter der Delegationsempfänger umso mehr nimmt sie zu.
Aufgaben, bei denen unsere Stärken zum Einsatz kommen, gehen uns leicht und schnell von der Hand. Unsere Schwächen erkennen wir daran, dass die Erledigung der damit verbundenen Aufgaben überproportional lange braucht. Auch wenn das nach „Cherry Picking“ aussehen mag, ist es im Sinne des übergeordneten Ziels, die Produktivität zu steigern, hilfreich, Aufgaben, die nicht zu unseren Stärken gehören, zu delegieren. Denn im Team gibt es vielleicht jemanden, dessen Stärken genau für diese Aufgabe genutzt werden können. Sollte das noch nicht so sein, dann ist dringend das Team zu verstärken. Im wahrsten Sinne des Wortes. Doch zum Thema Team mehr in einem der nächsten Whitepapers.
Bei den zu erledigenden Aufgaben empfiehlt es sich, zunächst eine Analyse zu machen. Um den Aufgabenumfang zu bestimmen, kann zeitlich die kommende Woche reichen oder ein ganzes Geschäftsjahr. Dabei ist zu unterscheiden zwischen sich wiederholenden Aufgaben und Einmalaufgaben, wie wichtig und dringend sie sind, wieviel Abstimmungsaufwand sie benötigen und welchen Vertraulichkeitsgrad sie besitzen. Daraus ergibt sich dann unter Berücksichtigung der zuvor genannten Kriterien der Delegationsumfang. Die Delegation einer Aufgabe kann einmalig, temporär oder auch dauerhaft erfolgen.
Bei Aufgaben, die dauerhaft delegiert werden und die Delegation nicht an den spezifischen Mitarbeitenden gekoppelt ist, empfiehlt es sich, die Stellenbeschreibungen anzupassen und die Aufgaben damit auch ablauforganisatorisch zu übertragen.
5 Stufen der Delegation
Wenn man sich mit Delegation beschäftigt, kommt man am 5-Stufen-Modell der Delegation nicht vorbei. Dabei ist der Reifegrad und das Vertrauen in den Delegationsempfänger mit jeder Stufe höher.
Stufe 1 – Setze um!: Stufe 1 bedeutet, dass der Delegationsgeber schon alles für den Delegationsempfänger vorausgedacht hat und dieser nur noch umsetzen muss. Der Mitarbeitende soll sich genau an die Vorgaben halten.
Stufe 2 – Arbeite Dich ein!: Das Vertrauen auf dieser Stufe ist höher als auf Stufe 1, da er Delegationsempfänger sich das Thema anschauen, sich einarbeiten und Lösungsoptionen darstellen soll, die mit dem Delegationsgeber besprochen werden.
Stufe 3 – Erabeite Vorschlag!: Stufe 3 ist die Stufe vor der eigenen Entscheidung. Dabei erarbeitet der Delegationsempfänger einen Vorschlag anhand der eigenen Recherche und den entwickelten Lösungsoptionen, die er zu bewerten hat.
Stufe 4 – Entscheide mit Rückmeldung!: In Stufe 4 darf der Delegationsempfänger selbständig entscheiden, welchen Lösungsweg er gehen möchte, setzt diesen um und gibt anschließend eine Rückmeldung an den Delegationsgeber.
Stufe 5 – Entscheide ohne Rückmeldung!: Stufe 5 unterscheidet sich von Stufe 4 nur insoweit, dass die Rückmeldung über die Entscheidung entfällt.
Die Schwierigkeit in der Praxis ist, dass im Vorfeld zu entscheiden ist, in welchem Umfang der Delegationsgeber Vertrauen gewährt. Gewährt er zu wenig, kann sich der Delegationsempfänger unterschätzt fühlen, wird zu viel Verantwortung übertragen, kann es zur Überforderung und zu Ergebnissen kommen, die nicht der Erwartung des Delegationsgeber entsprechen. Daher ist eine schrittweise Übertragung der effektivste Weg. Und es gilt, da auch Mitarbeitende verschiedene Stärken haben, muss nicht jeder Mitarbeitende für jede delegierte Aufgabe in der gleichen Stufe geeignet sein.
Wie delegiert man richtig?
Neben der Übertragung der Aufgabe gehört zum Delegationsprozess als essentieller Bestandteil auch die Übertragung von Kompetenz und Verantwortung. Die beiden letzteren werden oft vergessen. Denn nur wenn alle drei, also Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung (kurz „AKV“) Teil der Delegation sind, ist diese effektiv und effizient. Übertragung von Kompetenz bedeutet, der Delegationsempfänger hat ausreichend Rechte, um die Aufgabe zu erfüllen. Die Übertragung der Verantwortung führt dazu, dass der Delegationsempfänger Rede und Antwort stehen muss zu dem, was er getan oder eben nicht getan hat.
Der Delegationsprozess verläuft grundsätzlich bei allen 5 Stufen nach dem gleichen Prinzip und variiert nur in der Tiefe der einzelnen Prozessschritte.
Schritt 1 – Auswahl des Delegationsempfängers: In Abhängigkeit der Komplexität der Aufgabe und der Qualifikation des Mitarbeitenden ist zu entscheiden, wer die Aufgabe erledigen soll. Wenn kein passender Delegationsempfänger für die gesamte Aufgabe gefunden werden kann, dann ist zu prüfen, ob zumindest Teile der Aufgabe delegiert werden können, um Entlastung zu schaffen.
Schritt 2 – Vorbereitung: Das ist zusammen mit Schritt 5 der wichtigste Prozessschritt. Neben dem was bis wann zu tun ist, ist das warum zu erklären. Beim was bis wann ist festzulegen, wie das Ergebnis aussehen bzw. was es umfassen soll und bis wann es vorliegen muss, ob es Zwischenergebnisse braucht. Nicht zu vergessen, die notwendigen Kompetenzen mitzugeben und ganz klar die Verantwortung zu übergeben. Um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen, ist die Aufgabe in jeden Fall im Gesamtkontext einzuordnen. Beispielsweise, woraus ergibt sich die Aufgabe, wer bekommt alles das Ergebnis, wofür wird das Ergebnis gebraucht u.ä.
Schritt 3 – Gespräch: Hiermit ist gemeint, dass es eine „Übergabeinformation“ geben muss. Auch wenn das, was in Schritt 2 definiert wurde, schriftlich, z.B. per E-Mail übergeben wird, sollte zusätzlich ein Gespräch stattfinden, um dem Delegationsempfänger die Möglichkeit zu geben, sich dazu zu äußern. Die zu erledigende Aufgabe sollte mit eigenen Worten wiedergegeben werden, im Sinne von was ist angekommen und wie ist es verstanden wurden. Das vermindert das Risiko von Missverständnissen.
Schritt 4 – Planung: Der Delegationsempfänger sollte dem Delegationsgeber eine Planung „vorlegen“, wie die delegierte Aufgabe erledigt werden soll. Der Detaillierungsgrad der Planung hängt natürlich vom Umfang und der Art der delegierten Aufgabe ab. Bei einfachen Aufgaben reichen auch ein paar mündlich ausgetauschte Sätze. Während bei einer komplexen Aufgabe ein Meilensteinplan hilfreich sein kann.
Schritt 5 – Kontrolle und Bewertung: Den Abschluss einer Delegation bildet immer die Kontrolle und Bewertung des Ergebnisses. Ein Gespräch anhand der getroffenen Vereinbarungen und was erzielt wurde, ist unumgänglich. Denn nur so wird das Vertrauen und die Weiterentwicklung auf beiden Seiten ermöglicht. Auch wenn die höchste Stufe der Delegation, Stufe 5 keine Rückmeldung mehr vorsieht, ist eine Kontrolle und Bewertung erforderlich. Sie geschieht in der Regel nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar. In dem zum Beispiel Gespräche mit den Ergebnisempfänger stattfinden oder der Delegationsempfänger eher beiläufig gefragt wird, wie die Ergebnisse angekommen sind und wie es ihm damit ergangen ist.
Bei aller Methodik ist die beste Delegation bei angetragenen Aufgaben gleich zu fragen, ob die Aufgabe überhaupt zum eigenen Verantwortungsbereich gehört. Wer da zu wenig NEIN sagt und nicht in die kritische Diskussion geht, wird tendenziell immer zu viele Aufgaben haben, auch mit Delegation.
Abgrenzung zur Teamarbeit
Im nächsten Whitepaper werden wir uns mit Fragen der Teamarbeit beschäftigen und daher schon mal ein kleiner Vorgeschmack.
Delegation ist ein Organisationskonzept und eine Kompetenz zur Durchführung verschiedener Aufgaben, bei der die Gesamtverantwortung letztendlich beim Delegationsgeber, da er die Führungskraft ist, verbleibt. Teamarbeit liegt immer dann vor, wenn eine Gruppe von Personen eine bestimmte Aufgabe zusammen bearbeitet. Innerhalb einer Teamarbeit kann es wiederum zur Delegation von Aufgaben kommen.
Delegieren Sie mehr!
Geschafft. Sie sind jetzt bestens vorbereitet für die Delegation von Aufgaben inklusive der dazugehörigen Kompetenz und Verantwortung. Delegieren Sie los!
Diesem Whitepaper können Sie ab 26. Juli 2021 um 16.00 Uhr auch als 13. Episode unseres Podcasts „DIE BUSINESSFLÜSTERER“ lauschen.